Wie werde ich Scrum Coach?

Teams und Organisationen begleiten und entwickeln

Geschrieben von Andreas Schliep am 21.06.2013

"Ich möchte gerne Agiler Coach werden." "Wie werde ich Scrum Coach?" "Wie kann ich mich fortbilden, um mein Team / meine Organisation besser zu betreuen?"

Auf dem letzten Scrum Gathering in Las Vegas kam sowohl in der Scrum Clinic - Besucher fragen, Coaches antworten - als auch in den Open Space Sessions, auf dem Flur und beim Abendessen immer wieder die Frage auf, wie man denn agiler Coach - oder Scrum Coach - wird. Anfangs erschien uns diese Frage selbst schon ungewöhnlich. Alle, die heute als externer oder interner Scrum - Agiler - Coach arbeiten, sind als Quereinsteiger aus den verschiedensten Berufsfeldern schliesslich in dieser Nische gelandet. Auch wenn es eine Reihe von Coaching-Ausbildungen gibt, so ist doch immer noch ziemlich unklar, was man machen muss, um zu einem spezialisierten Berater für die Einführung und Fortentwicklung von agilen Leitbildern, Prozessen und Praktiken zu werden.

Also, was ist ein Agiler Coach überhaupt? Wenn man sich mal in der Branche umschaut, finden sich auf jeden Fall viele Berater, die sich selbst so nennen. Unter den “Agilen Coaches” finden sich unter anderem

  • Softwareentwickler und Tester, die sich mit agilen Praktiken auskennen und diese vermitteln können.
  • Absolventen einer der verschiedenen Coaching-Ausbildungen, die ihre Fähigkeiten beim Einzel- und Teamcoaching in Entwicklungsprojekte einbringen.
  • Ehemalige Führungskräfte, die eine oder mehrere Scrum-Projekte begleitet haben - vielleicht auch Scrum im eigenen Unternehmen versucht haben einzuführen - und aus verschiedenen Gründen jetzt als freiberufliche oder angestellte Berater unterwegs sind.
  • Mitarbeiter in Unternehmen, die über ihre Arbeit als ScrumMaster bei der weiteren Verbreitung von Scrum in der Organisation beratend und begleitend tätig sind.

Leider bietet die Scrum Alliance derzeit noch wenige Anhaltspunkte für eine systematische Herangehensweise an dieses neue Berufsbild. So gibt es den Certified ScrumMaster als Einstiegszertifikat. Danach folgt der Certified Scrum Professional - und dann kommt erst einmal eine ganze Weile gar nichts, bis schliesslich mit dem Certified Enterprise Coach eine der höchsten Zertifizierungsstufen erreicht ist. Pete Behrens hat schon gut beschrieben, wie man sich für diese Stufe bewerben kann. Doch was passiert auf dem Weg dahin? Eine erste Orientierung können die Entwicklungspfade von ICAgile bieten, einer Qualifizierungs- und Zertifizierungsorganisation für eine Reihe von agilen Professionen. Wenn man den Entwicklungspfad im Coaching betrachtet, findet man schon Parallelen zu den Zertifierungsstufen der Scrum Alliance.

ICAgile Stufe ScrumAlliance Stude Einsatz
Agile Team Facilitator (ATF) CSM plus spezialisierte Moderationsfähigkeiten Team
Agile Coach (AC) CSP plus Coaching, Teamentwicklung und Kommunikationsfähigkeiten mehrere Teams
Enterprise Agile Coach (EAC) CSC mit fortgeschrittenem Coaching, Organisationsentwicklung, Change Management, Führungskompetenz Unternehmen

Einige Angebote zur entsprechenden Fortbildung in den für Scrum Coaches relevanten Bereichen finden sich bereits bei der Scrum Alliance unter “Extended Education”. Man ist allerdings nicht an die Scrum Alliance - oder irgendwie mit Scrum verknüpften - Angebote gebunden. Eine Zusatzausbildung im systemischen oder Co-Active Coaching bietet nicht nur ein fundiertes Grundgerüst, sondern bringt auch eine größere Flexibilität mit sich. Vorher sollte man ein gesundes Fundament schaffen. Wir versuchen das mit der ScrumMaster-Ausbildung, die wir gemeinsam mit go-Agile in Deutschland und pragmatic solutions in der Schweiz vorantreiben. Der individuelle Lernpfad hängt natürlich von den eigenen Vorkenntnissen und Talenten ab. Die Schritte für einen typischen ScrumMaster, der sich zum Agilen - Scrum - Coach weiter entwickeln möchte, könnten so aussehen:

  1. Theoretische Beschäftigung mit Scrum und agilen Praktiken
  2. Praktische Mitarbeit in einem agilen Team
  3. Scrum-Basiskurs (Certified ScrumMaster)
  4. Praktische Arbeit als ScrumMaster
  5. ScrumMaster-Ausbildung oder vergleichbare Extended Education
  6. Certified Scrum Professional Zertifizierung
  7. Coaching- und Kommunikationsausbildung
  8. Praktische Arbeit als Coach für mindestens zwei Teams
  9. Fortbildung im Bereich Change Management und Organisationsentwicklung
  10. Praktische Arbeit, zum Beispiel in einem “Transition Team” oder einem Coaching-Unternehmen
  11. Eventuell nach ein paar Jahren die Certified Scrum Coach Zertifizierung
  12. Kontinuierliche Fortbildung, Praxis, Community-Arbeit und das Mentoring von neuen Coaches.

Doch die Ausbildung ist nicht alles. Zusätzlich kommt es auf zwei weitere wesentliche Eckpfeiler für den werdenden Agilen - Scrum - Coach an:

  • Praxis: “Learning by doing” ist durch nichts zu ersetzen. Oder würden Sie als Fahrlehrer jemanden akzeptieren, der sein Auto nur ab und zu zum Waschen aus der Garage fährt? Wir haben 2006 mit dem Scrum Coaching angefangen, mit gerade einmal zwei Jahren Scrum-Erfahrung, ohne formelle Ausbildung. Inzwischen haben wir viele Organisationen betreut, deren Besonderheiten kennengelernt, ihre Schmerzen geteilt und ihre Erfolge gefeiert. Agiles Coaching ist für Praktiker, nicht für Zertifikatsjäger.
  • Community: Agile Coaches mögen als Freiberufler auftreten, sie sind aber keine einsamen Wölfe. Wir haben uns in den letzten Jahren ein verzweigtes Netzwerk an Partnern, Gleichgesinnten, Gruppen, Mentoren, Unterstützern und Unterstützten aufgebaut. Das sorgt für einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch, neue Ideen und Praktiken sowie für den wichtigen Rückhalt, wenn es einmal mit einem gecoachten Team, Bereich oder Unternehmen nicht so glatt läuft.

Der Weg des ScrumMasters und Agilen Coaches ist sicherlich der ungewöhnlichste, verglichen mit den Wegen der Entwickler und Produktverantwortlichen. Es ist kein Weg für alle, aber diejenigen, die ihn ernsthaft beschreiten, werden in Zukunft immer wichtiger für neu denkende, neu handelnde Unternehmen werden.

Andreas Schliep

Andreas „Andy“ Schliep

Andy ist einer der ersten deutschsprachigen Scrum-Trainer und ein Gründungsmitglied von DasScrumTeam. Nach seinem Studium an der Hochschule Bremerhaven begann Andreas seine Karriere zunächst als Softwareentwickler, später dann als Projektleiter, Teamleiter und schließlich als Bereichsleiter. Zu Scrum fand Andreas zwischen 2003 und 2004 durch seine damaligen Kollegen bei WEB.DE. Nach der Implementierung von Scrum bei WEB.DE wechselte Andreas im Jahr 2006 zu SPRiNT iT und entschied sich 2008, als Coach und Trainer selbstständig zu machen. Heute fokussiert er sich neben der Einführung von Scrum vor allem auf agile Führungskompetenzen und die nachhaltige Transformation von Organisationen. Als Co-Autor hat Andy an der Erstellung der Lernziele der Scrum Alliance für Scrum Master, Product Owner und Entwickler mitgewirkt.

Mehr Posts zum Thema

Immer informiert mit dem DasScrumTeam Newsletter

Das Beste in Sachen Scrum. Einmal im Monat. Jeden Monat.