Kanban

Methode zur Analyse und Verbesserung beliebiger Arbeitsprozesse

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Kanban – mit großem "K" – ist eine universelle Prozessanalyse- und Verbesserungsmethode von David J. Anderson. Es basiert wie Scrum auf den Werten und Prinzipien von Taichi Ohno's Toyota Produktion System, das wir heute als "Lean" kennen. Darin dreht sich alles um den Respekt für Menschen und die kontinuierliche Verbesserung. Die Grundprinzipien von Kanban bilden dabei die Leitplanke für die Umsetzung:

  • Startet mit dem, was ihr jetzt macht.
  • Einigt euch auf die Verfolgung von inkrementellem, evolutionären Wandel.
  • Respektiere den aktuellen Prozess, die Rollen, Verantwortlichkeiten und Titel.
  • Ermutige Akte der Führungsverantwortung auf allen Ebenen der Organisation.

Die konsequente Beachtung der Prinzipien funktioniert, wenn man die Kernpraktiken von Kanban anwendet.

Die Kanban-Praktiken bieten eine Orientierung
zur Einführung und konsequenten Anwendung 

David J. Anderson entwickelte die Kanban-Praktiken auf der Basis von Lean. In seiner Darstellung finden sich allerdings auch viele Elemente wieder, die wir aus Scrum kennen.

Wie wird in unserem Unternehmen Wert erzeugt? Um diese Kernfrage dreht sich der erste Schritt einer Kanban-Einführung. In einem Workshop mit allen an der Wertschöpfung beteiligten werden die einzelnen Stationen identifiziert und miteinander verbunden. Das erfolgt am Besten an einer realen Wand, oder auf einem Whiteboard. Zur Not können aber auch elektronische Werkzeuge verwendet werden. Das Resultat dieses ersten Schrittes ist ein eigenes Kanban-System. Auf den ersten Blick könnte man es mit einem Scrum Board verwechseln – tatsächlich gibt es viele Ähnlichkeiten. 

Wichtig ist bei der Visualisierung die Beachtung des gesamten Wertestroms, von der Kundenanforderung bis hin zur Inbetriebnahme. Ob der zugrunde liegende Arbeitsprozess auf Scrum, Wasserfall oder einem Service-Ablauf basiert, spielt dabei keine Rolle. 

Durch die Begrenzung der gleichzeitig angegangenen Arbeit werden Engpässe identifiziert und Massnahmen ergriffen. Wir starten daher mit einem scheinbaren Paradox: Je mehr Arbeit wir in ein System aufnehmen, desto langsamer werden wir. Die meisten Unternehmen legen sehr viel Wert auf ihre Reaktionszeit. Dabei wird übersehen, dass durch den Start von beliebig viel Projekten, Initiativen, Servicemassnahmen ein System immer mehr belastet wird. So wie eine Autobahn, auf der sich die Fahrzeuge stauen, geht es irgendwann einfach nicht mehr weiter. Wir können aber nicht sofort den Durchsatz erhöhen. Also wählen wir bewusst Begrenzungen der gleichzeitig angegangenen Arbeit.

Für ein Scrum Team könnte das bedeuten, nur ein ein oder zwei Product Backlog Items gleichzeitig zu arbeiten, anstatt alle am Anfang eines Sprints zu beginnen. Die Begrenzung liefert uns wichtige Informationen über unsere Kapazitäten und Optimierungspotentiale.

Die Messung von Gesamtbearbeitung, Reaktionszeit und Bearbeitungszeit hilft, Wartezeiten im System zu reduzieren und die Wertschöpfungskette zu verbessern. Wenn man wissen möchte, wie schnell ein Fluss fliesst, kann man einen schwimmenden Gegenstand verwenden. Ich kann die Geschwindigkeit dieses Gegenstands über eine Strecke messen. Eine solche Messung können wir auch in Kanban vornehmen. 

Interessant wird die Betrachtung des Flusses, wenn wir über die Grenzen eines Teams hinaus auf die gesamten Durchlaufzeiten schauen. Was bringt es, wenn ein Team alle zwei Wochen ein Inkrement liefert, wenn es ein halbes Jahr bis zum Kundenfeedback braucht? Die Ende-zu-Ende-Betrachtung hilft also auch, wenn man durch Scrum schon bereits kurze Durchlaufzeiten im Team hat.

Vor jedem Schritt in der Wertschöpfungskette werden die Kriterien für die weitere Verarbeitung und Fertigstellung festgelegt. Wir kennen das aus Scrum als Definition of Done. In Kanban haben wir die einheitlichen Qualitätskriterien für jeden Schritt. Wir wissen genau, wann wir etwas für die weitere Bearbeitung analysieren wollen, wann wir uns um die Detaillierung kümmern, was alles erfüllt sein muss, bevor es an den Kunden geht.

Auch hier gilt, dass wir nicht an den Teamgrenzen stehen bleiben, sondern den Wertstrom als Ganzes betrachten.

Diskutiere regelmässig den Prozess, die Wertschöpfung und die Zusammenarbeit. Kanban und Scrum haben beide aus Lean den Anspruch der kontinuierlichen Verbesserung geerbt. Der Anspruch der Transparenz, Überprüfung und Anpassung gilt also auch in Kanban für die Wertschöpfung, die Zusammenarbeit und die Organisationsgestaltung. So wie wir in Scrum regelmässig zu den Scrum-Ereignissen zusammentreffen, gibt es auch in Kanban regelmässig wiederkehrende Feedback-Events. Anders als in Scrum müssen diese sogenannten Kadenzen aber nicht gleich laufen. So könnte man beispielsweise einmal in der Woche über das Produkt und zweimal im Monat über den Prozess reflektieren.

 

Der Kern von Kanban ist das Commitment zur kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung des Kanban-Systems. Wie sehr dieses Commitment greift, zeigt die Praxis des Andon-Seils. Die Begründer des Toyota Production Systems wussten, dass sie nicht von vornherein den perfekten Arbeitsablauf gestalten konnten. Daher gab es an jeder Arbeitsstation ein rotes Seil, das andon chord. Dieses Seil durfte jederzeit betätigt werden, mit einer drastischen Konsequenz. Denn das Signal bedeutete: Wir haben einen Fehler im Prozess! Also wurde die gesamte Fertigung gestoppt, die Ursache des Fehlers identifiziert und möglichst dauerhaft bereinigt.

Wenn wir das mit der Behebung von Hindernissen unter der Regie des Scrum Masters vergleichen, fällt vor allen Dingen auf, dass es um die nachhaltige Verbesserung geht. Junior-Scrum Master gehen los, um das Problem zu beseitigen. Echte Scrum Master unterstützen das System darin, dass gleichartige Probleme in Zukunft nicht mehr auftauchen.

Kanban ist ein fester Bestandteil in unserem Ausbildungsprogramm. Im Advanced Certified ScrumMaster Kurs behandeln wir die grundsätzlichen Prinzipien und Praktiken. Im Certified Scrum Professional betrachten wir darüber hinaus das gesamte Lean-Haus. Wir bieten auch Inhouse-Schulungen und -Workshops zum Thema Kanban an. 

Rudolf Gysi

Über den Autor

Rudolf Gysi

Auf der Suche nach immer besserer Qualität entdeckte ich vor vielen Jahren die agilen Methoden in der IT. Seit 2010 unterstütze ich Teams beim Erlernen von Scrum und Kanban. Als Mitgründer der agilen Bewegung in der Schweizer Bundesbahn (SBB) habe ich den Aufbau der Trainings, der Agile Community und der Agilen Transformation seit 2011 mitgestaltet.

Seit 2018 arbeite ich mit DasScrumTeam zusammen. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf der Einführung und Verbesserung der Kanban-Methode. Als Kanban-Trainer und Coach begleite ich den gesamten Einführungsprozess.